GP: Ein weiteres
denkwürdiges Ereignis war auf der Arena 2000
am
Judenplatz im Rahmen der
Wiener Festwochen ( Juni 1975 ). Das war eine
Open Air Bühne, wo
jeder hinaufgehen konnte und etwas darbieten.
Man hat sich nur eine halbe
Stunde vorher anmelden müssen. Und es
sind die Leute dort gestanden
und haben gewartet, was da passiert.
Wir haben uns also angemeldet
für eine Dada Show.
LK: Und der Heinz
ist damals sehr stark auf die Dadaisten abgestürzt
und hat gesagt, wir machen
was am Judenplatz im Rahmen der Arena 2000.
Ja, da war der Gottfried
Distl und der Weibl und irgendwelche wahn-
sinnigen Leute und das hat
uns sehr gut gefallen und ist uns eigent-
lich sehr entgegengekommen,
weil wir uns gedacht haben, genau so einen
Aktionismus wollten wir
eigentlich auch immer machen.
GP: Und eine Stunde
vor dieser Dada Aktion haben wir uns im Cafehaus
am Eck zusammengesetzt un
der Koller hat noch schnell zwei, drei
Dada Gedichte geschrieben,
die er dann auf dem Podium vorgelesen hat,
vor zirka dreihundert Leuten.
Und während der Koller diese Gedichte
vorgelesen hat, habe ich
auf einem Stein sitzend alles was er so
vorgelesen hat dargestellt.
Also ich habe gespielt: bruzzl, bruzzl,
Wolken, Wolken ...
LK: Ja das war so,
daß wir an und für sich am Anfang sehr stark auf
literarische Sachen Wert
gelegt haben. Der Heinz hat noch alle
Gedichte, die posthum betrachtet
wirklich gut sind.
Ja und der Schursch ist
dagestanden, mit der Gasmaske auf und hat ...
MT: ... die Melanie
zerrissen. Also nicht die Melanie, sondern das Poster
von der Melanie hat er zerrissen.
Obwohl ja nichts zu sagen ist
gegen die Melanie. Wahrscheinlich
ist sie ihm halt nur so postermäßig
unter die Hände gekommen.
Er hat halt irgendwas gebraucht zum Zer-
reissen, was Bekanntes.
LK: Die Leute haben
wirklich geklatscht. - Und dann wollten wir Schweine
und Küken schlachten,
das ist uns aber verboten worden. Wir hätten
es ja nicht gemacht, aber
wir haben es angekündigt, daß nach dem
Gottfried Distl die Neo
Dada Bewegung auftritt. Und die schlachtet
dann Schweine und Küken
und es wird gebeten Kinder vom Platz zu
entfernen, oder ihnen zumindest
die Sicht zu versperren. Daraufhin
sind natürlich die
Leute Amok gelaufen und haben gesagt, wir dürfen
nicht auftreten.
Im Zuge dieser
Dada Aktion am Judenplatz habe ich den Michi
kennengelernt. Irgendwer
hat gesagt er kennt einen Sänger und das
erste Mal wie ich den Michi
gesehen habe, hab ich mir gedacht der
Bursch ist leiwand. Nur
von der Optik her hab ich mir gedacht, ja
der bringts auf der Bühne.
weil damals war ja in Wien die Coolness
so in. Und ich hab nicht
einmal gewußt, was das Wort heißt außer kalt.
Und das hat mir halt beim
Michi sehr stark imponiert. Und ich hab
mir gedacht: oh Gott, bist
du gscheit, der Popstar, der Iggi Pop spricht.
GP: Danach sind wir
dann mit zwei Autos Konvoi nebeneinander über den
Gürtel ins Schweizer
Haus gefahren. Dort war irgendein Gig und wir
wollten unbedingt umsonst
hinein. Und dort ist für mich der Tersch
zum ersten Mal aufgetaucht.
Und wir haben gesagt, wir zahlen nichts
und gehen einfach durch
und wenn sie uns hinauswerfen wollen halten
wir einfach alle zusammen.
Aber der einzige, der sich nicht hinaus-
werfen hat lassen war ich.
Mich haben sie dann hinaus getragen,
während die anderen
alle hinaus gegangen sind. Und ich bin da regel-
recht übergeblieben.
Das war damals Dada.
HK: Wer hat dort
gespielt ?
MT: Es hat dort überhaupt
niemand gespielt, aber wir wollten hinein ohne
zu zahlen.
HK: Haben sich die
Leute also alle dort getroffen nur um zu zahlen?
MT: Ich weiß
nicht, aber ich bin hinein und nach langem wer, warum ich bin
und so, haben sie also gemeint,
sie brauchen eh sowas und sie werden
das schon machen und ich
werde da schon singen und werde da schon was tun.
GP: Die Dada Aktionen
und die Hegelgasse waren ganz entscheidend wichtig,
weil diese Schule nämlich
damals in Wien ziemlich einmalig war. Wir
sind zu Prüfungen offiziell
von Professoren aus dem Cafehaus geholt
worden. Der Koller und seine
Freunde haben sich in der Schule nicht
Zetteln geschrieben, wenn
sie sich was zu sagen gehabt haben, sondern
Comics gezeichnet. Und wenn
diese Zetteln konfisziert worden sind,
sind sie fast schon benotet
worden.
Ich war ja
damals sehr viel mit dem heutigen Kulturjournalisten
Wolfgang Baier, der damals
jeden, der ihm sehr gescheit gekommen ist
in fünf Minuten aufgemacht
hat, egal worüber der geredet hat, unterwegs.
Und wir haben damals eine
Zeitung herausgebracht, die hat Fliegenpilz
geheißen. Eine Kulturzeitung.
Und auf der letzten seite der ersten
Ausgabe waren auch Dada
Gedichte vom Koller. Weil die Dada Geschichten
hat der Koller sehr ernst
genommen.
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