Zur Schönen Helena ( 2 )   9.,10.Dec.77  available on extra CD

HK: Du hast bei dem Gig in der Helena gesagt: Es gibt Gruppen, die sind
politisch engagiert - wir sind mehr sexuell engagiert!
LK: Ja sexuell engagiert war ich schon immer gerne. Ich weiß nicht woran
das liegt. Aber der Peda hat mir einmal gesagt: Alle Wassermänner haben
Sexualneurosen und wenn sie keine haben, dann ist das ihre Sexualneu-
rose.
   Ich muß sagen, daß ich an und für sich eher ein Macho bin, das ist
halt so. Ich bin ein Macho, der Frauen gerne zuhört. Es gibt Leute, die
sind am Anfang ein Macho und dann sind sie ganz weich - also ein
Quatscho. Und ich bin am Anfang immer weich und dann ein Macho. Früher
hat das immer so mit dem süßen Schmäh angefangen und irgendwann einmal
hat es die Prügel gegeben. Aber das Sexuelle war mir immer ein Anliegen.
Ich war immer gern sexuell aktiv, das ist ein Hobby von mir. Die Expe-
rimentierfreudigkeit, ein sehr großer Teil Voyeurismus und ein irrsinnig
großer Teil Mitteilsamkeit. Ich meine jetzt nicht Sexualität zerreden,
sondern ich finde das leiwand, wenn man mit ausgesuchten Leuten sexuelle
Abenteuer wirklich so bespricht, wie wenn man bespricht, ob einem der
und der Film gefallen oder das und das Essen geschmeckt hat. Also dieses
Genießerhafte. Mich reizt diese prickelnde Erotik bevor er sie gebumst
hat oder was nachher war. Die Gespräche die nachher sind, wo man einen
Menschen erst richtig kennenlernt. Weil es gibt Leute, die ziehen sich
die Decke beim Orgasmus über den Kopf, weil sie sich nicht zusehen
lassen wollen wie sie ausschauen, wenn sie sich wegsmörgeln.
   Ich hab halt immer probiert, das über die Partie hinunter zu
bringen. Jetzt mit der "Razzia" mache ich das viel direkter. Meine
Texte sind wirklich Hardcore-Texte. Warum soll man das nicht
sagen, wie man es gern hat. Warum muß ich das umschreiben? Die Zeit
ist heute nicht mehr danach. Es hat kein Mensch mehr Zeit darüber
nachzudenken, was hat er sich gedacht. Es liest heute auch keiner mehr
Lyrik. Wenn ich in der Bücherei bin und ich lese eigentlich sehr viele
Gedichtbände und ich schaue aufs letzte Datum, wann sich das jemand
ausgeborgt hat, sind da oft 8,10,12 Jahre dazwischen. So lange steht
das schon. Und ich denk mir immer, das sind Bewußseinsinhalte, die ich
zum Leben erwecke, weil ein Buch ist an und für sich solange es nie-
mand liest ein totes Ding. Der Typ der es geschrieben hat ist auch tot.
Aber wenn ich das lese, dann lebt der momentan. In der Sekunde wo ich
das lese, lebt der für mich. Und das interessiert mich an Lyrik, weil
Lyrik ist Gefühl in eine Form gebracht. Wo ich sage, die Form ist ad-
äquat dem Gefühl. So war das immer unter kultivierten Leuten.
 

Und wenn ich jetzt einen schönen Gedanken über Sex habe, so haben
früher Leute wie Novalis das verpackt. Heute hat kein Mensch mehr
die Zeit, um diesen Gedankenfluß zu erschließen. Und darum verpacken
es die Leute halt in Pornografie und glauben, das ist erotisch. Und
ich versuche eben meine Texte so zu verpacken, daß sie das aussagen,
was sie auch heißen sollen. Aber dieses Mischmasch aus Verdrängung,
Wollen und nicht können und wissen und erahnen und vor allem dieses
Leute verunsichern - heute kann man eigentlich mit Sex sehr
schwer verunsichern, aber man hat es vor zehn Jahren können. Und wenn
du gesagt hast, du bist sexuell engagiert, dann war das ganz anders,
als wie wenn du nur Rockmusik gespielt hast. Also nichts anderes als
ein buntes Mäntelchen umhängen. Aber eben doch aus einem Anliegen
heraus. Es war halt der proklamierte Sexismus.

 
 
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