HK: Du hast doch damals mit dem Poidl in derselben Firma gearbeitet,
als Orgelbauer.
RL: Ja, so viel gelacht wie dort haben wir nie wieder.
Das war um die Stadthalle rum, das weiß ich. Weil den Pfeil den haben wir
noch am Tag zusammen in der Firma gemacht, den ich dann durch und durch
gehabt habe. Vorne und hinten die Schutzplatten haben wir noch ausgeho-
belt. Da haben wir den ganzen Vormittag dran gearbeitet. Der Boss wollte
unbedingt, daß wir am Nachmittag noch irgendwas fertig haben. Das hat es
natürlich nie gegeben. Der war ja dann übrigens auch dort in der Stadthalle
und zwar im rosa Smoking mit der Sekretärin und mit ihrer Tochter.
Und da hat es so ein unheimlich gutes irgendwas zu rauchen gegeben und
ich komme raus und der Boss steht vor mir und drückt mir die Hand. Mir
ist schon so der Schweiß runtergeronnen und er hat wissen wollen, was ich
mit den Haaren gemacht habe, warum die so schön gestanden sind, ob das
Perücken sind. Und ich habe mir gedacht: 'Mensch hau ab!'
LK: Ja die Firma wo wir gearbeitet haben, hat im technischen Museum die Hof-
kapellen Orgel aaufgestellt. Die Firma hat sich zusammengesetzt aus einem
Boss, der in seinem Büro sitzt und rote Feuerwehrautos zeichnet - ich
meine umsonst ist die Firma nicht bankrott gegangen - dann aus zwei
Lehrlingen und einem Hilfsarbeiter, Die zwei Lehrlinge waren der Rüdiger
Lehmann und der Andreas 'Bladn Sweetn' Woisetschläger und ich war der
Hilfsarbeiter. Und ich habe am Anfang wirklich einen totalen Arbeits-
willen gehabt, aber die haben gemeint ich soll mich eingewöhnen und ich
weiß noch ganz genau, eine Woche später habe ich überhaupt nichts mehr
gemacht. Da haben sie gemeint, ich habe mich zu schnell eingewöhnt.
Jeder Arbeitstag war ein Jungbrunnen für mich. Weil ich habe da immer ge-
schlafen in so aufeinander getapelten Rahmen von Schaukästen. Meistens
haben wir uns aber hinter der Orgel irgendwelchen Blödsinn erzählt. Das
war wirklich schönes intelektuell-blödes Geschwafel. Also da wurde
nicht gesoffen und Karten gespielt, sondern es ist einfach nur Blödsinn
ausgeheckt worden. Das glaubt man gar nicht, wenn man mit gescheiten
Leuten geistigen Blödsinn betreibt, ist einem der Tag viel zu kurz.
 

Aber hin und wieder ermattet man auch und ich habe mich dann in die Orgel
gelegt. Und weil es dort so kalt war, haben wir uns mit Gewand zugedeckt und
jeder hat einen Hammer in der Hand gehabt. Und wenn einer gemerkt hat, daß
die Tür aufgeht machten wir bumm bumm und: 'So das hätten wir auch, jetzt
nehmen wir die zwölfer Schleife.' Du bist natürlich liegen geblieben. Es hat
ja kein Mensch gesehen. Du hast ja nur eine riesige Orgel gesehen, wo Klopf-
und Dröhngeräusche herausgekommen sind und so bestätigende Laute. Und du
denkst dir:'Mhm, eigentlich geht da was weiter'. Es ist natürlich nichts
weitergegangen. Der ist heute immer noch nicht fertig. Das hat jetzt eine
andere Firma übernehmen müssen, weil bei uns wäre die Orgel noch immer nicht
fertig. Und eines Tages habe ich mir gedacht ich schlafe in diesen Vitrinen.
Und ich habe immer so arg geträumt in diesen Vitrinen, sodaß ich zu Mittag
immer schon gesagt habe, ich gehe in meine Traumkiste. Und in dieser Kiste
war es relativ warm, es war wie ein Sarg und ich habe da drinnen geschlafen.
Und der Andi hat Wache halten müssen, das war der Lehrling. Und eines Tages
kommt der Ingenieur herein und meint, wo der Kollege ist und ob er so allei-
ne ist. Und der sagt: 'Jaja der Kollege ist Essen holen' und ich wache auf
und höre irgendwas und stehe auf. Und der Andi hat mir nachher gesagt, das
war sowas von gruselig, weil ich herausgekommen bin wie ein weißes Gespenst
und habe auf einmal so aus der Kiste herausgeschaut. Und der Ingenieur
schaut so und hat das überhaupt nicht weggesteckt, daß da plötzlich aus den
Vitrinen so ein Typ herauskommt. Und der Andi hat gesagt: 'Ah der ist schon
da!'  Es war also urpeinlich, aber es war eine lustige Geschichte.
Und dann habe ich ein ganz teures Gerät zusammengehaut. Das ist ein Gerät
so groß wie ein Kasten mit vier automatischen Geigen und mechanischen Armen
und Fingern. Und die vier Geigen drehen sich und schleifen auf einem Rund-
bogen und die mechanischen Finger drücken nieder und spielen irgendein
Streichquartet von Mozart, mit einer Lochkarte eingespeichert. Das gibt es
nur einmal auf der Welt dieses Gerät. Ich meine, wer baut sowas? Und um zehn
Uhr waren immer die Führungen. Und stell dir vor du arbeitest oder bist an-
wesend und Punkt zehn Uhr gehts: dadatam-dadatam-dadatamtam. Und um halb elf
ist die nächste Führung, dagehts wieder dadatam-dadatam-dadatamtam.
 

Wenn du das eine Woche lang halbstündlich hörst, dann denkst du dir gut,
aber wir haben dort ein halbes Jahr restauriert und ich habe das jeden Tag
gehört. Ich habe geglaubt, ich werde verrückt. Und dieser Raum war geteilt mit
einer ganz dünnen Plastik-Holz-Furnier-Paneel-Wand und dahinter ist das Ge-
rät gestanden. Und dieses Gerät fängt wieder um zehn an: dadatam-dadatam. Und
ich liege gerade mit dem Hammer hinten auf der Windlade und bekomme wirklich
einen momentanen Rappel und nehme den Hammer und werfe ihn gegen die Wand
und auf einmal gehts: kling-klong-dong-bong-dudli-dudli. Und auf einmal gehts:
uaaahh, ich höre jemand lachen und einer fällt von der Orgel herunter. Hat
der Bladn so lachen müssen, daß er von der Windlade heruntergefallen ist. Auf
einmal hat man schon die Ingenieure hereinkommen sehen und rufen: 'Was ist
los, das Gerät ist kaputt!' Aber dadurch, daß das vorne relativ laut gespielt
hat, hat man nicht gehört, daß hinten etwas dagegen gesaust ist. Und dann ha-
ben sie das Gerät wirklich 14 Tage lang repariert. Und jedes Mal, wenn ich
hereingekommen bin, habe ich mich gefreut, daß dieser Scheiß nicht spielt.
Aber die sind nicht draufgekommen, daß das ich war. Aber indem ich den Hammer
hingeworfen habe, ist irgendwas kaputt gegangen und das hat so lustig ge-
klungen, wie wenn du in einen Musikcomputer hineinbrunzt und dann gehst du
auf Run und der spielt dir alles vor, nur nicht das, was drinnen ist. Genauso
war das. Und dann ist halt diese Firma bankrott gegangen und der Chef hat
immer gesagt, er ist nicht da, er ist Klopapierrollen zählen. Er dürfte näm-
lich einen Container Klopapier umsonst bekommen haben. Der hat gehabt zu
Hause 2000 Rollen Klopapier einlagern. Also er war nie da und hat gesagt,
wenn wer kommt machts nicht auf, es könnte die Exekution sein. Da haben wir
sehr lange nicht unser Geld bekommen. Auf der Bank war der gängige Schmäh,
wenn wir drei gekommen sind mit unseren Gehaltsschecks, hat der Kassier nach
hinten gesagt: 'Von wo sollen wir es denn abbuchen?' Und der andere hat nach
vor gerufen: 'Zelle 17!' Und alle haben gelacht.
 

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